Einführung in das Selbstbewusstsein

Einführung in das Selbstbewusstsein


Diese Einführung enthält eine Auswahl von Elementen aus dem Langen Gedanken des Selbstbewusstseins, der auf Lehren esoterischer Verfasser basiert.

 

In der Arbeit für die Entwicklung, Erweiterung und Vertiefung des Bewusstseins beginnt alles mit dem Verstehen. Verstehen ist eine Verbindung, ein Zusammenspiel von Wissen und Sein. Wissen ist die Hylozoik, pytagoreische Aktivierungsmethoden und Methoden des vierten Weges. Das Sein ist alles, was wir sind, minus das, was wir wissen, minus das Wissen. Das Sein sind alle guten Eigenschaften und Fähigkeiten, die uns helfen, Bewusstsein zu entwickeln. Ein klares Verständnis der Theorie der Bewusstseinsentwicklung ist ein mächtiges Werkzeug für die Praxis der Bewusstseinsentwicklung.

 

 

Das Selbst ist nach der Hylozoik im materieller Hinsicht ein Uratom, das Pythagoras eine Monade nannte. Das Selbst als Bewusstsein ist gerichtete Aufmerksamkeit, vor allem gerichtete Aufmerksamkeit in Verbindung mit Selbstbewusstsein. Aufmerksamkeit zeigt die Anwesenheit des Selbst an.

 

Der Mensch kann absichtlich Momente des Selbstbewusstseins herbeiführen, und durch Zielbewusstsein können solche Momente verlängert werden. Eine solches methodisch herbeigeführtes Selbstbewusstsein wird „Selbst-Erinnerung“ oder „sich selbst erinnern“ genannt.

 

Der Mensch kann vier verschiedene Qualitätsstufen der Aufmerksamkeit haben. Die erste ist die mechanisch flackernde Aufmerksamkeit. Die zweite ist die auf Anziehung beruhende Aufmerksamkeit. Die dritte ist gerichtete Aufmerksamkeit und die vierte ist gerichtete Aufmerksamkeit mit gleichzeitigem Selbstbewusstsein.

 

Selbstbeobachtung ist Absichtlichkeit gegenüber sich selbst, auf sich selbst gerichtete Aufmerksamkeit. Es bringt den Bewusstseinszustand näher an das Selbstbewusstsein heran. Von der Selbstbeobachtung ist es nicht so weit zur Selbsterinnerung.

 

Der Zustand des Selbstbewusstseins oder der Selbsterinnerung und der Zustand der Identifikation schließen sich gegenseitig aus: Wenn das eine vorhanden ist, ist das andere nicht vorhanden. Ein Zustand des Selbstbewusstseins ist also ein Zustand der Nicht-Identifikation. Die Praxis der Nicht-Identifikation ist daher ein Weg zum Selbstbewusstsein, ist ein Tor zur Selbsterinnerung.

 

Alle höheren, übermenschlichen Wesen, die zur Menschheit gekommen sind, Individuen wie Pythagoras und Gautama Buddha, haben dieselbe Botschaft hinterlassen: Der Mensch kann mit dem richtigen Wissen und der richtigen Bemühung höhere Bewusstseinszustände erreichen; zunächst nur sporadisch, aber mit der Zeit bleibt er stabil in ihnen, bleibt verändert in ihnen mit beständiger Wirkung. Auch in Fragen der Methoden für dieses Entwicklung waren sich die Botschafter einig: Es geht um die Schulung des Bewusstseins durch Beobachtung, Selbstbeobachtung, Schärfung der Aufmerksamkeit, auf Selbsterinnerung gerichtete Anstrengungen.


Selbsterinnerung ist das Herzstück der Arbeit. Alle Übungen, die denen gegeben werden, die den Vierten Weg gehen, sind eigentlich eine einzige Übung: Methoden, um Selbsterinnerung hervorzurufen. Das ist das Herzstück der Arbeit, ihr Wesen und ihr Zentrum: die Anstrengungen, Momente des Selbstbewusstseins zu schaffen. Alle anderen Übungen sollten Zugänge zu diesem Zentrum sein, Zugänge zur Selbsterinnerung. Zum Beispiel sollte man in der Übung „absichtlich sein“ von der Absichtlichkeit zur Selbsterinnerung übergehen.


Selbsterinnerung ist Praxis und kann nicht ohne ausgiebige Praxis verstanden werden. Wenn man sich mehrmals täglich bemüht, sich an sich selbst zu erinnern, nicht nur in ruhigen Momenten, sondern vor allem in allen Situationen des Alltagslebens, findet man, dass es mit der Zeit zu einem immer tieferen Gefühl wird, dass es möglich ist, es immer länger zu behalten, dass man die Wahrnehmung des „Ich bin“ in Verbindung mit immer mehr Funktionen besitzen kann.

 

Der Zweck der Selbstbeobachtung besteht darin, zu zeigen, wie wenig wir zu Hause sind, wie wenig das Selbst, der Bewusstseinsaspekt der Monade, anwesend ist, wie viel die Hüllen kontrollieren und wie wenig die Monade dies mit Eigentätigkeit, Selbstbeobachtung, Selbstbewusstsein tut, wie sehr wir uns mit den Hüllen identifizieren. Nur mit dieser Einsicht haben wir genügend Motivation, um die äußerste Anstrengung aus dem Sein heraus zu unternehmen, die wir unternehmen müssen, um uns nach aufwärts zu erheben.


Wir sind viele und haben hunderte von Schein-Ichs und hunderte von „Willen“. Wenn du einen unabhängigen Willen entwickeln willst, muss man Eins und bewusst werden. Der Wille hängt von der Einheit und dem Bewusstsein ab. Deshalb ist die Selbsterinnerung notwendig. Selbsterinnerung bedeutet nicht nur Selbstbewusstsein, sondern beinhaltet auch die bestimmte Fähigkeit, auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln, zu tun, was man will.


Du kannst nichts in dir verändern, solange es dir unbewusst ist. Die Arbeit beginnt mit der Selbsterkenntnis. Wenn du dich nicht selbst beobachten kannst, kannst du dich nicht verändern. Versuche, die Verhaltensweisen und Eigenheiten in dir zu beobachten.


Ohne Selbsterinnerung ist die Selbstbeobachtung unvollständig. Und warum? Weil Selbstbeobachtung die Selbsterinnerung zum Zweck hat. Selbstbeobachtung ist nur eine von mehreren Übungen, die alle darauf abzielen, durch Selbsterinnerung Momente des Selbstbewusstseins hervorzurufen. Das Ziel des Menschen ist es, ein bewusstes Wesen zu werden. Das darf man nicht vergessen. Zu üben und gleichzeitig den letztlichen Zweck der Übung aus den Augen verlieren, ist nicht Üben. Es ist mit der Übung identifiziert sein – etwas ganz anderes.


Die größten Eigenschaften und Fähigkeiten sind alle aus den ersten schwachen, zaghaften Versuchen erwachsen. Dass wir keine bewussten Wesen sind, bedeutet nicht, dass wir keine Momente des Bewusstseins haben können. Dass wir im Großen und Ganzen Wesen sind, die nichts tun können, bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen sollten, etwas zu tun. Dass wir im Allgemeinen keinen Willen haben, bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen sollten, unseren Willen hervorzubringen. Den Weg zu gehen bedeutet, das zu tun, was wir nicht können. Wir können nicht, wir können nicht, wir können nicht, und dann können wir plötzlich doch. In Momenten der Selbsterinnerung können wir anfangen zu handeln, wir können anfangen, unseren Willen auszuüben. Denn Momente der Selbsterinnerung sind nicht nur Momente des Bewusstseins, sondern auch des Willens.


Ein Mensch, der mit sich selbst identifiziert ist, kann sich nicht an sich selbst erinnern, weil er nichts wahrnehmen kann, was über seinen augenblicklichen mechanischen Zustand hinausgeht, nichts Höheres als das. Solange er identifiziert ist, gibt es für ihn nur das, mit dem er identifiziert ist, und in diesem Zustand ist Selbsterinnerung unmöglich. Deshalb ist die Befreiung von der Identifikation ein wichtiger und notwendiger Schritt zur Selbsterinnerung. Wenn man seine eigenen Identifikationen im Nachhinein beobachten kann und sieht, wie lächerlich, sinnlos und schädlich sie sind, hat man schon viel gewonnen.


Der schlaue Mensch des vierten Weges – weiß, wie man eine Pille anfertigt und sie schluckt, anstatt alle Arten von schmerzhaften, langwierigen Anstrengungen zu unternehmen, die zum Pfad des Fakirs oder Mönchs gehören. Der schlaue Mensch sieht durch Selbstbeobachtung, was in einem bestimmten Moment in ihm fehlerhaft ist, und nimmt es an, d.h. er schluckt es und erinnert sich dann an sich selbst in Verbindung mit ihm. Er arbeitet mit sich selbst. Die Pille anzufertigen ist nur möglich, wenn man sich selbst mit direkter Selbstbeobachtung sieht, also mit der eigenen Arbeit und indem man formuliert, was man sieht. Auf diese Weise sieht man, was man selbst braucht, um sich zu einer bestimmten Zeit wach halten zu können. Was für einen Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich ist, kann für einen anderen etwas ganz anderes sein.


Während wir uns selbst beobachten, versuchen wir, uns unserer selbst bewusst zu sein, indem wir die Wahrnehmung von „Ich bin hier“ bewahren – nichts weiter. Es ist kein Gedanke oder Gefühl.


Wenn das Selbst, das Ich, bei der Selbstbeobachtung auf sich selbst achtet, sich an seine eigene Existenz erinnert, dann wird seine Aufmerksamkeit plötzlich in zwei Richtungen gelenkt: auf das Objekt und auf das Selbst selbst. Dann entsteht für den Moment Selbstbewusstsein, ein qualitativ höherer Zustand. Dann kann das Selbst sagen: „Ich beobachte dies und bin mir gleichzeitig meiner eigenen Anwesenheit hier und jetzt bewusst. Ich beobachte dies – diese Bewegung oder Ruhe meines Organismus oder dieses Gefühl, das mich zu beherrschen sucht, oder diese endlose Folge von umherirrenden Gedanken – aber ich bin nichts davon. Ich bin der Beobachter.“


Es ist wichtig zu betonen, dass die Selbstbeobachtung nicht kritisch, nicht analytisch oder bewertend sein sollte. Die Selbstbeobachtung teilt den Menschen in zwei Teile: einen, der beobachtet, und einen, der beobachtet wird. Man kann nicht das sein, was man beobachtet: Sobald man es beobachtet, wird man von ihm entfernt, man schwächt die Identifikation mit ihm. Dies ist die wohltuende Kraft, die dem Menschen hilft, sich von der Macht unerwünschter Gefühle und Gedanken zu befreien.


Alles, was wir denken, versinkt im Unterbewusstsein und geht in Komplexe ein, die im Verborgenen ihr Werk tun. Das Unterbewusstsein ist unser Diener, der unkritisch, mechanisch und automatisch die Anweisungen befolgt, die es einst vom Tagesbewusstsein erhalten hat. Wenn sich diese Anweisungen widersprechen, kommen sich gegenseitig bekämpfende Komplexe auf, die sich zersplitternd auf das Vermögen auswirken, einen Beschluss zu fassen und zu einem Ergebnis zu kommen. Indem wir dem Unterschwelligen Aufmerksamkeit schenken, führen wir ihm schädliche Suggestionen zu. Diejenigen, die sich weiterentwickeln wollen, haben wichtigere Interessen, denn sie wissen, dass das Leben der Persönlichkeit kurz und bedeutungsvoll für diejenigen ist, die die Lebensgsetze kennen. Er vermeidet es, jegliche entwürdigenden Dinge zu sehen und zu hören, denn er weiß, dass alle diese Dinge in unbewussten Komplexe mit unvermeidlichen Auswirkungen eingehen, die sein Streben nach Selbstverwirklichung direkt behindern. Bewusst nur höhere Eindrücke zu wählen, ist daher ein Weg zum Selbstbewusstsein.


Selbsterinnerung, in all ihren verschiedenen Formen, bedeutet, sich nach innen zu bewegen. Es bedeutet, sich auf einem inneren Niveau bewusst zu werden. Um mir beispielsweise meiner selbst bewusster zu werden, beginne ich, mich von der Persönlichkeit getrennt zu fühlen und zu erkennen, dass ich mich mein ganzes Leben lang mit ihr identifiziert habe und dass sie nicht wirklich ich ist.


Das Festhalten an tief verwurzelten Denkmustern und formativem Denken sind Hindernisse auf dem Weg zum Selbstbewusstsein. Offenheit und Bereitschaft, Neues zu lernen, das Denken zu erweitern und zu vertiefen, erleichtern die Arbeit an der Entwicklung des Selbstbewusstseins.


Selbsterinnerung kann aufkommen, wenn das ständige innere Geplapper zum Schweigen gebracht wurde, wenn auch nur für wenige Sekunden, in einem verdichteten Moment völlige Klarheit und Stille herrscht, als hätte es diese Sinnlosigkeit nie gegeben – dann kommt auch Selbsterinnerung. Und sie kann mit Kraft und Freude kommen


Achte auf deine Atmung. Atme langsam durch die Nase ein, so langsam, wie wenn du an einer schönen Blume riechst. Dann atme langsam durch deine Nase aus. Konzentriere dich auf deine Atmung und erlaube deinem Körper, sich zu entspannen. Spüre die Anwesenheit von dir selbst, das Selbst, das Ich, das deine Aufmerksamkeit lenkt und deinen Atem beobachtet.

 

Wolle, was du tust.


Die Selbsterinnerung kommt von oben herab, und die volle Selbsterinnerung ist ein Bewusstseinszustand, in dem die Persönlichkeit und all ihre Täuschungsspiele fast nicht mehr existieren und man wie ein Niemand ist, und doch fühlt man sich in der Fülle dieses Zustands, der eine echte Seltenheit ist, zum ersten Mal wie jemand.


Die Selbstbeobachtung hat vor allem den Zweck, das Emotionale zu reinigen, es zu veredeln. Die Methode besteht darin, das „Ich“, das beobachtende Selbst, von dem Unreinen und weniger Reinen, dem Unedlen, dem Minderwertigen zu trennen. Der mechanische Mensch, der sich selbst nicht beobachtet, ist voller Selbstliebe, Eitelkeit, Selbstüberschätzung, Selbstgefälligkeit und Selbstrechtfertigung. Sagt er: „Ich denke immer an andere“, so lügt er, wie er vielleicht auch in einem Moment des Gewissens erkennt. Es ist die Selbstbeobachtung, die es ihm ermöglicht, diese Wahrheiten über sich selbst zu erkennen.


Alle Arbeit basiert auf Verstehen. Bei dieser Arbeit ist das Verstehen das Stärkste, was man entwickeln kann. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was diese Arbeit lehrt und warum sie genau dies lehrt. Man muss für sich selbst verstehen, warum negative Gefühle verschwinden müssen, verstehen, warum Selbstrechtfertigung verschwinden muss, warum Lügen und Täuschung verschwinden müssen, warum Forderungen nach Rücksichtnahme, Beschwerden und interne Buchführung verschwinden müssen. Man muss selbst verstehen, warum egoistische Fantasien verschwinden müssen, warum Selbstmitleid und düstere Reue verschwinden müssen, warum Hass verschwinden muss, warum der Zustand des inneren Schlafs verschwinden muss, warum Unwissenheit verschwinden muss, warum Puffer, Attitüden und Bilder von sich selbst verschwinden müssen, warum die falsche Persönlichkeit mit ihren beiden Riesen, die vor ihr herlaufen, Stolz und Eitelkeit, verschwinden muss, warum Unwissenheit über sich selbst durch unkritische wirkliche Selbsterkenntnis aufgrund von Beobachtung ersetzt werden muss, warum es immer notwendig ist, Rücksicht zu nehmen.


Wenn wir keine negativen Gefühle mehr haben, können wir wirklich positive Gefühle entwickeln. Wir haben sie noch nicht. Wir haben vorübergehende positive Gefühle. Mit wirklich positiven Gefühlen meinen wir diejenigen, die niemals in ihr Gegenteil umschlagen können, die niemals negativ werden können: Liebe, die niemals in Hass umschlagen kann, Vertrauen, das niemals in Misstrauen umschlagen kann, Bewunderung, die niemals in Verachtung umschlagen kann, Mitgefühl, das niemals in Gleichgültigkeit oder Kälte umschlagen kann. Solche unveränderlich positiven Emotionen sind die stärksten Kräfte für unsere Entwicklung, die wir je besitzen können. Sie sind Träger von Energien, die unerschöpflich zu sein scheinen.


Kannst du einen Moment lang niemand für dich selbst sein? Kannst du mit Absicht,  der Reihe nach, deine Sinnesreaktionen anheben, die emotionalen Reaktionen und Gedanken aus dir herausholen, so dass „nichts“ mehr übrig bleibt? Kannst du dir dann, wenn „nichts“ mehr übrig ist, der intensiven Realität deiner selbst bewusst werden? Kannst du deinen eigenen Lärm, dein eigenes Geplapper, für einen Moment unterbrechen? Kannst du einen Moment lang deine eigene Anwesenheit in allem, was du tust, spüren? Das sind alles Wege, sich an sich selbst zu erinnern.


Nimm Eindrücke mit Absicht und Anwesenheit an! Suche nach guten, schönen, aufbauenden, erhebenden, vereinenden, erweckenden, energetisierenden Eindrücken! Trenne dich von Eindrücken entgegengesetzten Charakters! Eindrücke sind auch Träger von Prana. Nimm Eindrücke mit Absicht und Anwesenheit auf, aber vergiss dabei nicht dein Ziel – dass du es tust, um dich an dich selbst zu erinnern, um Selbstbewusstsein zu erwecken.


Für die richtige Selbsterinnerung muss das höhere Emotionale aktiviert und in einer von ganzem Herzen kommenden Anstrengung zusammen mit dem Mentalen eingesetzt werden. Die Qualität der Aufmerksamkeit auf das Emotionale hängt unter anderem vom Grad der Dankbarkeit, des Mitgefühls, der Bescheidenheit, der Wertschätzung und der Rücksichtnahme ab, die man anderen entgegenbringt.


Der Mensch ist ein Energiesystem. Jede Entwicklung des Bewusstseins erfordert ständige Arbeit, unaufhörliche Anstrengung. Jede Arbeit erfordert Energie. Die Energieversorgung ist nicht das Problem, sondern die Lecks. Und wir verlieren enorme Mengen an Energie. Unser größtes Leck, das, was uns am meisten Energie entzieht, sind unsere negativen Gefühle.


Negative Gefühle können nicht ohne Identifikation auftreten. Wahrhaft positive Gefühle sind frei von Identifikation. Wahre Liebe existiert im Zustand der Nicht-Identifikation; mit Identifikation ist sie unmöglich. Identifikation hat immer ein emotionales Element. Es ist eine Art Gefühlsstörung. Wenn du dich nach einem Zustand tiefer Identifikation ertappst, kannst du diesen Moment mit anderen Zuständen vergleichen. Auf diese Weise kann man für sich selbst klären, was es heißt, identifiziert zu werden. Wenn man anfängt, sich selbst zu beobachten, werden einige Formen der Identifikation bereits unmöglich.


Man überwindet die Identifikation, indem man erkennt, dass man identifiziert ist, und dann seine Aufmerksamkeit auf etwas Wichtigeres richtet. Deshalb muss man lernen, zwischen wichtig und weniger wichtig zu unterscheiden. Wenn man frei von Identifikation sein will, muss man in der Lage sein, diesen Zustand als von sich selbst getrennt zu sehen, außerhalb von sich selbst. Das kann man nur tun, indem man versucht, bewusster zu werden, versucht, sich an sich selbst zu erinnern, sich seiner selbst bewusster zu werden.


Identifikation in Verhältnissen zu anderen Menschen drückt sich in besonderer Weise aus, nimmt eine besondere Form an, die als Forderung auf Rücksichtnahme bezeichnet wird. Mit „Rücksichtnahme“ können zwei völlig unterschiedliche Situationen gemeint sein: Man kann Rücksicht nehmen, versuchen, sich einzufühlen, wie andere Menschen Situationen wahrnehmen; man kann Rücksichtnahme für sich selbst fordern, sich in seine Hülle einschließen, sich an seine Selbstbezogenheit und an die verzerrten Wahrnehmung der Außenwelt und anderer Menschen hängen.


Rücksichtnahme zu fordern bedeutet, identifiziert zu sein. Rücksicht zu erweisen bedeutet, gegen die Identifizierung anzukämpfen. Rücksicht zu nehmen bedeutet, gerichtete Aufmerksamkeit anzuwenden, das heißt, in den intellektuellen Teilen der Zentren zu sein: in diesem Fall sowohl im Denkzentrum als auch im Gefühlszentrum. Rücksicht zu erweisen kommt der Selbsterinnerung nahe und kann in Selbsterinnerung übergehen; es wird dann zu einer Art Selbsterinnerung im Verhältnis zu einem anderen Menschen. Rücksichtnahme einzufordern ist mechanisch; Rücksicht zu erweisen kommt dem Bewusstsein nahe.


Gewissen im esoterischen Sinne ist die in einem Moment des Selbstbewusstseins erworbene Fähigkeit, die wechselseitige Widersprüchlichkeit und objektive Unhaltbarkeit der eigenen Emotionen, ihre Verlogenheit, Unzuverlässigkeit, Unvereinbarkeit mit einem dauerhaften Selbst, und damit deren Leere klar zu erkennen. Momente des Gewissens helfen der menschlichen Monade, sich selbst von den Hüllen, das Wesentliche vom Unwesentliche, das Wertvolle vom Wertlosen, das Unsterbliche vom Sterbliche zu unterscheiden, um die eigene Unsterblichkeit zu erkennen.


Versuche zu beobachten, mit welcher bestimmten Person du am schlafendsten bist, mit welcher Person du dich am negativsten identifizierst. Sobald du dies bekräfigt haben – dass du identifiziert ist, dass du sogar hasst – versuche, dieses besondere Ereignis des Schlafens zu einer Ereignis der Selbsterinnerung zu machen.


Ganz anwesend in  Herz und Kopf zu sein, während man einem Mitmenschen zuhört, ist ein Weg, um Momente des Selbstbewusstseins zu erreichen. Deine volle Aufmerksamkeit dem Menschen zu geben, den du triffst und wirklich zuzuhören, hilft dir, anwesend zu sein.


Eine guter Zeitpunkt für die Anstrengung, sich zu bemühen, sich an sich selbst zu erinnern, ist, wenn die Umstände schwierig sind. Wenn du dich in einer schwierigen Situation befindest und es schaffst, dich an dich selbst zu erinnern, werden die Ergebnisse besser sein. Eine weitere wichtige Gelegenheit zur Selbsterinnerung ist, wenn man sich gewohnheitsmäßig identifiziert. Anstrengung ist in beiden Fällen erforderlich.


Der Weg zur Einheit führt über die Anziehung von Gefühlen, über Sympathie, Zuneigung, Sehnen, Hingabe und Verehrung. Wer diese langsam aufkeimenden Gefühle sanft und zärtlich pflegt, wird zu seiner Freude feststellen, dass sie immer mehr Verständnis, Antriebskraft und die Fähigkeit, auf die richtige Weise zu helfen, vermitteln. Indem er lernt, die Größe eines Menschen zu sehen und zu bewundern, das Gute im Menschen nicht nur zu entdecken, sondern auch hervorzulocken, seine Aufmerksamkeit auf das Beste in ihm zu lenken, kommt der sich Hingebende in Kontakt mit den Kräften der Einheit, die ihn zur Einheit ziehen und das Göttliche in ihm erwecken, um das Göttliche außerhalb von ihm zu verehren, denn das Wesen des Göttlichen ist Verehrung.


Leiden ist die bestmögliche Hilfe zur Selbsterinnerung, wenn man lernt, es zu nutzen. Man kann sein ganzes Leben lang leiden, ohne dass es ein Resultat hervorbringt, aber wenn man lernt, das Leiden zur Selbstreflexion zu nutzen, ist es von Nutzen. Versuche, dich an dich selbst zu erinnern, wenn du leidest!


Durch Mitgefühl für das Glück anderer, Mitgefühl für das Leid anderer, Freude über die Verdienste anderer und Nichtbeachtung der Fehler und Unzulänglichkeiten anderer werden Frieden und Klarheit der Sinne erlangt.


Was wir in Gedanken durch Studium, Meditation und Reflexion vorbereiten, kann dann durch ein Leben des Dienens einen natürlichen Ausdruck in Wort und Tat finden, anstelle des ansonsten mechanischen Lebens, das der Mensch normalerweise führt. Das fördert die Entwicklung des Selbstbewusstseins.

 

Die Theorie der Zufallsereignisse ist sehr einfach. Sie treten nur auf, wenn Platz vorhanden ist. Wenn der Platz besetzt ist, können sie nicht auftreten. Besetzt von was? Durch bewusstes Handeln. Wenn du keine bewusste Handlung hervorbringen kannst, musst du zumindest den Raum mit absichtlichen Handlungen füllen. Wenn also die Arbeit und alles, was damit zusammenhängt, wirklich zum Mittelpunkt des Lebens eines Menschen wird, ist er praktisch frei vom Gesetz des Zufalls und unterliegt stattdessen dem Schicksalsgesetz.


Die Henry T. Laurency Verlagsstiftung hat genehmigt, dass Material aus dem Werk von Henry T. Laurency in der in dieser Publikation vorkommenden Weise verwendet wurde. Lars Adelskogh hat genehmigt, dass das von ihm veröffentlichte Material auf die in dieser Veröffentlichung vorkommenden Weise verwendet wurde.


Korrigiert am 27 April 2021 

Buchtipps

- zur Vertiefung



„Der Vierte Weg”

„Psychologie der möglichen Evolution des Menschen”

von P. D. Ouspensky



Den Langen Gedanken zum Selbstbewusstsein (auf Schwedisch) mit 216 Elementen findet man zum Download verfügbar hier.